Dr.
Jurist, Politiker, Bundespräsident
* 20.04.1890 in Nikolsburg, Mähren (Mikulov, Tschechische Republik)
† 28.02.1965 in Wien
Adolf Schärf wurde am 20. April 1890 Nikolsburg, Mähren (Mikulov, Tschechische Republik), geboren. Er war das fünfte Kind des Stockdrechslergesellen Josef Schärf und seiner Frau Magdalena, geb. Sitek, die das Glasperlenbläserei-Handwerk erlernt hatte. Sein Vater übersiedelte zehn Jahre vor Adolfs Geburt von Wien nach Nikolsburg, in die Heimat seiner Frau. Dort versprach er sich mit der Glasperlenproduktion in Heimarbeit ein besseres Einkommen.
1899 zog die Familie nach Wien-Ottakring. Mit Nachhilfestunden finanzierte sich Adolf Schärf den Besuch des Gymnasiums in Hernals. 1907 schloss er sich dem Verband Jugendlicher Arbeiter an, und war ein Jahr später Mitbegründer der ersten noch illegalen sozialistischen Mittelschülervereinigung. Anschließend absolvierte er das Jusstudium an der Universität Wien und promovierte im Jahre 1914. Er geriet schon als Schüler mit der Arbeiterbewegung in Kontakt.
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Adolf Schärf heiratete am 2. Oktober 1915 die aus der Steiermark stammende Hilde Hammer, eine Telefonistin bei der Post, die später bei der Arbeiterunfallversicherungsanstalt arbeitete. Der Ehe entstammten zwei Kinder, Reinhold und Martha. Der Sohn Reinhold fiel im Zweiten Weltkrieg als Leutnant an der Ostfront († 15. November 1941). Die Tochter Martha war lange Zeit Präsidentin des österreichischen UNICEF-Komitees.
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Nach dem Kriegsdienst, 1915 bis 1918, agierte Adolf Schärf von 1918 bis 1934 als Sekretär der sozialdemokratischen Nationalratspräsidenten Karl Seitz, Matthias Eldersch und Karl Renner sowie als Sekretär des sozialdemokratischen Parlamentsklubs. Im Jahre 1933 entsandte ihn das Land Wien in den Bundesrat, wo er Mitglied blieb, bis das Parlament endgültig im Ständestaat aufgelöst wurde.
Am 4. März 1933 hatte Schärf die Aufgabe, Renner während der (wie sich herausstellen sollte) letzten Nationalratssitzung der Ersten Republik als Bote den dringenden Rat von Karl Seitz und Otto Bauer mitzuteilen, Renner möge als Nationalratspräsident sofort zurücktreten. Renner folgte diesem fatalen Rat, der Zweite und der Dritte Präsident taten desgleichen, womit nach Auffassung von Bundeskanzler Engelbert Dollfuß die Selbstausschaltung des Parlaments bewirkt wurde.
Adolf Schärf gehörte gemeinsam mit Karl Renner und Oskar Helmer zum "rechten Flügel" der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei. Er bemühte sich stets um einen Ausgleich mit den bürgerlichen Parteien, lehnte austromarxistische Positionen ab und nahm besonders gegenüber Otto Bauer eine kritische Haltung ein. Er engagierte sich vor allem in der Agrarpolitik und wurde zum führenden sozialdemokratischen Publizisten und Theoretiker in Agrarfragen.
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Am 12. Februar 1934 wurde Adolf Schärf trotz seiner konzilianten Haltung verhaftet und drei Monate lang im Anhaltelager Wöllersdorf interniert. Es folgte die Suspendierung als Parlamentsbeamter und die diesbezügliche Pensionierung mit Jahresende 1934. Nach seiner Entlassung legte er im Jahre 1935 die Rechtsanwaltsprüfung ab und war von 1936 bis 1945 als Rechtsanwalt tätig.
Noch vor der Beendigung der Schlacht um Wien gehörte Adolf Schärf zu jenen, die ins Rathaus kamen, um die Partei wieder zu gründen. Bei der Gründung der Zweiten Republik war Schärf führend an der Reorganisation der SPÖ beteiligt und gehörte als Staatssekretär von April bis Dezember 1945 der Provisorischen Regierung an. Anschließend war er bis zum Jahr 1957 Vizekanzler und nahm in dieser Eigenschaft mit Julius Raab, Bruno Kreisky und Leopold Figl an den Staatsvertragsverhandlungen teil.
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Der Rückgabe des von den Nationalsozialisten geraubten jüdischen Eigentums beziehungsweise der Wiedergutmachung für jüdische Österreicher maß er seiner juristischen Ausbildung zum Trotz keine spezielle Bedeutung bei. Auch der Heimkehr jüdischer Parteifunktionäre aus dem Exil stand er reserviert gegenüber.
Schärfs ambivalente Haltung gegenüber der Rückkehr sozialdemokratischer Exilanten jüdischer Herkunft zeigte sich in den Erinnerungen Josef Hindels’, in denen er Schärf vorwarf, zwar die Rückkehr Bruno Kreiskys zu befürworten, aber gleichzeitig die Rückkehr anderer Emigranten im Allgemeinen und einer großen Anzahl jüdischer Emigranten im Speziellen abzulehnen.
Adolf Schärf bekundete stets, nie ein Antisemit gewesen zu sein.
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Nach dem Tod von Theodor Körner wurde Adolf Schärf am 5. Mai 1957 mit 51% der Stimmen zum Bundespräsidenten gewählt und am 28. April 1963 mit 55,4% in seinem Amt bestätigt. Er war als Bundespräsident über die Parteigrenzen hinweg geachtet. Als Verfechter der "Großen Koalition" griff er wiederholt in die Verhandlungen bei Regierungsbildungen und Koalitionskrisen ein. Mit Nachdruck warnte er mehrmals vor Spekulationen mit einer Regierungsbeteiligung der FPÖ.
Bis zu seinem Tod wohnte Adolf Schärf in der Skodagasse 1. Er lehnte es ab, in eine Amtswohnung zu übersiedeln. Er führte ein bescheidenes, zurückgezogenes Leben. Den Sommer verbrachte er oft in Warmbad-Villach, wo ein Denkmal im Kurpark an ihn erinnert.
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1957: Sonderstufe des Großkreuzes des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
1960: Collane des Finnischen Ordens der Weißen Rose
1962: Elefanten-Orden
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Bauer wach auf! Die Sozialdemokraten kommen!, Wien 1923 (unter dem Pseudonym Albert Schäfer)
Pachtrecht und Pächterschutz in Österreich (= Agrarsozialistische Bücherei Nr. 3), ohne Verlagsangabe, Wien 1925
Die Frau im Spiegel des Rechts, Verlag der Organisation Wien der Sozialdemokratischen Partei, Wien 1926
Die Wahrheit über das kriegswirtschaftliche Ermächtigungsgesetz. Protokoll der Verhandlungen des Verfassungsausschusses des Bundesrates vom 20. Dezember 1933 und des Plenums des Bundesrates vom 18. Jänner 1934, Organisation Wien der Sozialdemokratischen Partei, Wien 1934 (im Katalog der Österreichischen Nationalbibliothek ohne Verfasser)
Österreichs Appell an die Welt. Reden von Adolf Schärf, Julius Deutsch, Paul Speiser, Wien 1947
April 1945 in Wien, Wien 1948
Zwischen Demokratie und Volksdemokratie. Österreichs Einigung und Wiederaufrichtung im Jahre 1945, Wien 1950
Der geistige Arbeiter in der Zweiten Republik. (Nach einem Vortrag vor sozialistischen Akademikern.), Wien 1952
Österreichs Erneuerung 1945–1955. Das 1. Jahrzehnt der Zweiten Republik, Wien 1955 (bis 1960 sieben Auflagen)
Zeitbilder. Sozialistische Beträge zur Dichtung der Gegenwart (zusammengestellt von Fritz Kurz, Hrsg. Adolf Schärf), Wien 1955 und 1956
Österreichs Wiederaufrichtung im Jahre 1945, Wien 1960 (Neuauflage der Bücher April 1945 in Wien und Zwischen Demokratie und Volksdemokratie)
Erinnerungen aus meinem Leben, Wien 1963
Der Teil und das Ganze. Reden und Schriften. Ausgewählt und biographisch eingeleitet von Jacques Hannak, Europa-Verlag, Wien 1965
Tagebuchnotizen des Jahres 1955, Hrsg. Gertrude Enderle-Burcel, Bearbeiter Klaus Rubasch, Studienverlag, Innsbruck 2008 (= Veröffentlichungen der Österreichischen Gesellschaft für Historische Quellenstudien, Nr. 1)
Tagebuchnotizen des Jahres 1952, Hrsg. Gertrude Enderle-Burcel, Bearbeiter Gertrude Enderle-Burcel, Peter Mähner, Klaus Rubasch, Studienverlag, Innsbruck 2010 (= Veröffentlichungen der Österreichischen Gesellschaft für Historische Quellenstudien, Nr. 2)
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Am 16. Februar 1965 traf der persische Alleinherrscher Schah Reza Pahlavi am Flugfeld in Wien Schwechat ein. Ein eisiger Schneesturm fegte über die Piste. Adolf Schärf gehörte als Bundespräsident neben dem Vizekanzler, dem Kabinettsdirektor, dem Bürgermeister und dem Polizeipräsident zum Empfangskomitee. Adolf Schärf hatte sich allen ärztlichen Verboten entzogen und dem Eisregen getrotzt. Er war gesundheitlich schwer angegriffen und schon vom Tod gezeichnet.
Der ferne Herrscher diente den Hochglanzzeitungen als fette Beute. Sein Leben in Saus und Braus, seine Abstecher nach Sankt Moritz, ein Tänzchen in der Disco, das Frederic Morton erwähnt, all das füllt die Gazetten. Adolf Schärf, der an einem Leberleiden laborierte, bekam nach seinem wohl unnötigen Ausflug nach Schwechat auch noch eine Lungenentzündung. Vierzehn Tage später, am 28. Februar 1965, ist der 3. Präsident der Zweiten Republik tot.
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