Schauspieler, Regisseur
* 13.02.1922 in Wien
† 10.10.2011 in Wien
Otto Tausig wurde am 13. Februar 1922 in Wien geboren. Er entstammte einer jüdischen Familie und war das einzige Kind von Franziska und Aladar Tausig. Schon im Alter von vier Jahren war er erstmals im Theater, um im Johann-Strauß-Theater einem Auftritt von Josephine Baker beizuwohnen. Im Alter von 13 Jahren versuchte er erstmals, in einer Schauspielschule unterzukommen. Er wurde mit der Begründung abgewiesen, es drei Jahre später nochmals mit einer Bewerbung zu versuchen.
Sein Leben nahm eine dramatische Wendung, als er im Alter von 16 Jahren mit einem Kindertransport nach England verschickt wurde. Seine Eltern hatten dies aufgrund seiner jüdischen Herkunft nach dem Anschluß Österreichs ans deutsche Reich veranlasst, und flohen selbst nach Shanghai. Otto sollte seinen Vater nie wieder sehen.
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In England schlug er sich als Land- und Fabriksarbeiter durch und musste 20 Monate in einem Internierungslager verbringen. Er lernte in dieser Zeit Kurt Schwitters kennen.
Später erzählte er über ihn im Rahmen eines Interviews: “Seine Ursonate habe ich dort gehört (Tausig trug vor): Rum-tum-tum-pftrtrtr, uka uka. Und so fort. Oder sein Gedicht "Leise": Da hatte er auf dem Tisch vor sich eine Kaffeetasse mit Löffel drin und klopfte fest und immer fester auf den Tisch. Die Tasse schepperte und schepperte, und er sprach: Räder kreisen kreisen kreischen Sägen kreischen Sägen (Tausig wurde immer lauter), bis es ganz laut war. Dann hat er die Tasse auf den Boden geworfen und geflüstert: "Leise".
Nach seiner Entlassung aus dem Internierungslager zog es ihn nach London. Dort arbeitete er tagsüber als Schlosser. Abends wirkte er im Austrian Center des Free Austrian Movement an satirischen Bühnenprogrammen mit. Er verkörperte auch öfters Frauenrollen.
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Otto Tausig kehrte nach dem Ende des 2. Weltkrieges nach Wien zurück. Er studierte Schauspiel am Max-Reinhardt-Seminar und ging 1948 ans Neue Theater in der Scala, das sich als linke, revolutionäre Bühne verstand. Dort arbeitete Otto Tausig 1953/1954 unter der Ägide von Bertolt Brecht. Brecht inszenierte “Die Mutter”, Bühnenpartner von Otto Tausig waren Helene Weigel und Ernst Busch. Tausig selbst inszenierte 1955 Tolstois “Krieg und Frieden“ in der Fassung des Avantgarde-Regisseurs Erwin Piscator. Das Ensemble war kommunistisch orientiert, was zur Folge hatte, dass nach der Schließung des Theaters im Jahr 1956 die Schauspieler in der antikommunistischen Stimmung im Wien jener Zeit (Brecht-Boykott) schwer an anderen Theatern unterkamen. Otto Tausig sagte dazu: „Entweder man unterschrieb, dass man sich vom Kommunismus in jeder Form abwendet, oder du hast kein Engagement mehr bekommen. Also bin ich ein zweites Mal emigriert.“
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Otto Tausig ging also gemeinsam mit vielen Kollegen ans Deutsche Theater in Ost-Berlin, wo er von 1957 bis 1960 tätig war. Er lehnte einen gut bezahlten Einzelvertrag ab und erbat einen Normalvertrag ohne Privilegien und Begünstigungen. Nach Ost-Berlin folgten Engagements in Zürich, Wien, Berlin (Volksbühne), Köln, Hamburg, Frankfurt und München. Er war auch als Drehbuchautor und Regisseur bei der DEFA aktiv
Schließlich kehrte Otto Tausig wieder nach Wien zurück, wo er zunächst am Theater an der Josefstadt spielte. Bereits 1971 kam ein Engagement ans Burgtheater, wo er bis 1983 wirkte. Großteils wurde er für komische Rollen besetzt. Er bestach als einzigartiger “Zerrissener” oder “Cyrano de Bergerac”, und überzeugte als Shakespeares "Sommernachtstraum"-Zettel. In dieser Zeit gründete er eine Amnesty-International-Gruppe zur Unterstützung von politisch verfolgten Schauspielern und Künstlern, mit der er sich unter anderem für Václav Havel einsetzte.
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Otto Tausig betätigte sich neben seiner Karriere als Theaterschauspieler auch als Filmschauspieler und Regisseur für Film- und Fernsehproduktionen und als Professor am Max-Reinhardt-Seminar. Hervorzuheben sind seine Rollen im Film “Kurzer Prozess” (1969), wo er unter der Regie von Michael Kehlmann mit Helmut Qualtinger und Fritz Eckhardt spielte sowie vier Auftritte in der bekannten “Tatort”-Reihe, in dreien hiervon verkörperte er einen Kriminalbeamten. Im Jahre 2002 wirkte er in “Epsteins Nacht” an der Seite von Mario Adorf. Seine letzte Filmrolle war jene des Aljoscha Kasajev in “Der Mann mit dem Fagott”, einer Verfilmung der Lebensgeschichte von Udo Jürgens (2011).
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Als Otto Tausig im französischen Film "Nocturne Indien", der in Bombay gedreht wurde, engagiert war, erlebte er erstmals die Dritte Welt und ihre Armut. Seitdem flossen sämtliche Gagen Tausigs dem Entwicklungshilfeklub zu, mit denen vor allem ausgebeutete und verschleppte Kinder unterstützt werden. Er finanzierte zudem die Renovierungsarbeiten eines Flüchtlingshauses im niederösterreichischen Hirtenberg, wo man jugendliche Flüchtlinge betreut.
2008 wurde das Theaterhotel gegründet. Otto Tausig, der für sein soziales Engagement bekannt war, wurde schnell an Bord geholt. In den ersten fünf Jahren seines Bestehens war das vorrangige Ziel des Theaterhotels, indische Steinbruchkinder zu unterstützen. Otto Tausig gilt als wichtigster Proponent des Theaterhotels. Sein Motto war: „Nicht jammern, sondern einfach etwas tun“.
Otto Tausig war zwei Mal verheiratet. Aus seiner ersten Ehe ging sein Sohn Wolfgang (geboren 1950) hervor.
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Otto Tausig, jüdischer Herkunft, war ein überzeugter Marxist, aber kein Atheist, er war Agnostiker.
“Ich glaube nicht, dass wir Menschen gescheit genug sind, zu wissen, dass es Gott nicht gibt oder dass es ihn gibt. Ich glaube, wenn es ihn gibt, kümmert er sich nicht darum, ob man den Hut aufhat, wenn man in den Tempel geht oder den Hut runter nimmt, wenn man in die Kirche geht oder die Schuhe auszieht vor der Moschee. Ich glaube aber schon, dass eine Intelligenz im Universum existiert, die über unsere menschliche Vernunft hinausgeht. Unser Gehirn ist nicht dazu da, die Welt als Ganzes zu erkennen, sondern dazu, zu überleben. Wir wissen doch seit Einstein, dass unsere Begriffe von Raum und Zeit einfach nicht stimmen - oder nur für unsere Dimension.”
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“Ich habe früher gedacht, wenn man humanistische Stücke richtig spielt, werden die Leute unten humaner. Aber das stimmt nur für die, die ohnehin schon am Weg sind, humaner zu werden. Einen Nazi wird man nicht umpolen, indem man ihm ein gutes Stück vorspielt.”
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“Ich glaubte, mit Planwirtschaft würde es gehen, diese Hoffnung habe ich verloren. Die Welt, die Wirtschaft kann ich nicht verändern, drum versuche ich, das Leben Einzelner zu verändern. Das kann ich. Wir unterstützen etwa ein Projekt in Peru, da mussten die Frauen vier Stunden ins Tal um Wasser gehen. Wir haben ihnen Know-how und Material für eine Wasserleitung gegeben, das hat 7000 Schilling gekostet. In Relation zu meiner Pension: wenig. Meine Frau und ich gehen nicht in Luxusrestaurants, wir essen Fischstäbchen. Manche belächeln das. Aber ich mag Fischstäbchen, was soll ich machen?”
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2010 erschien im Mandelbaum Verlag die Lebensgeschichte von Otto Tausig, die von Inge Fasan aufgezeichnet wurde.
»Ich habe Glück gehabt in diesem Leben. Wie oft könnte ich schon tot sein! Hitler, Krieg und Herzinfarkt und immer bin ich noch da, 88 Jahre alt, und erzähle mein Leben.« Kasperl, Kummerl, Jud - die drei Leben des Otto Tausig: der Komödiant, der Theatergeschichte schrieb, der ehemalige Kommunist , der sich Zeit seines Lebens für Flüchtlinge und Kinder in armen Weltregionen einsetzte und der Jude, der Wien verlassen musste und erst über Umwege seinen Weg zurück nach Österreich fand. Und berühmt wurde. Ein Dreiviertel-Jahrhundert Theater- und Zeitgeschichte, erzählt von einem großen Schauspieler und unbeirrbaren Menschenfreund.
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Johann-Nestroy-Ring, 1995
Bruno Kreisky Preis für Verdienste um die Menschenrechte, 1997
Europäische Friedensrose Waldhausen, 2005
Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse, 2007
Nestroy-Theaterpreis, Auszeichnung für das Lebenswerk, 2009
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Gasparone, 1956
Kean, 1963
Professor Bernhardi – Regie: Peter Beauvais, 1964
Die letzten Tage der Menschheit (Fernsehfassung einer Theaterproduktion der Wiener Festwochen), 1965
Der Heiratsschwindler heiratet, 1966
Kurzer Prozeß, 1967
Tragödie auf der Jagd, 1968
Spaghetti, 1968
Theatergschichten durch Liebe, Intrige, Geld und Dummheit, 1968
Frühere Verhältnisse, 1968
Fink und Fliederbusch, 1969
Was kam denn da ins Haus?, 1969
Chopin-Express, 1971
Tatort – Frauenmord, 1973
Die Biedermänner, 1973
Hallo – Hotel Sacher ... Portier! – Die Schwestern, 1974
Telerop 2009 – Es ist noch was zu retten – Fortschritt verboten, 1974
Die Insel der Krebse, 1975
Bomber & Paganini, 1976
Fluchtversuch, 1976
Die Alpensaga (sechsteiliges Fernsehdrama) – Buch: Peter Turrini und Wilhelm Pevny, 1976/77
Tatort – Mord im Krankenhaus
Locker vom Hocker, 1978
Keine Leiche ohne Lilli, 1980
Egon Schiele, 1980
Tatort – Mord in der Oper, 1981
Den Tüchtigen gehört die Welt, 1982
Die Lokomotive, 1986
Der Bierkönig, 1988
Heiteres Bezirksgericht, 1988
Herbst in Lugano, 1988
Großstadtrevier – Kälteeinbruch, 1986
Nächtliches Indien (Nocturne indien) – Regie: Alain Corneau, 1989
Hessische Geschichten – Der hessische Gaul/Die dicksten Freunde/Die Macht des Gesangs, 1990
Abrahams Gold, 1990
Tatort – Seven Eleven, 1990
Warburg: A Man of Influence, 1992
Unsere Hagenbecks (25 Folgen), 1990/94
Auf Wiedersehen Amerika – Regie: Jan Schütte, 1994
Die Bartholomäusnacht (La Reine Margot) – Regie: Patrice Chéreau, 1994
Die Macht des Schwertes (The Wanderer) (2 Folgen), 1995
Hofrat Geiger – Regie: Peter Weck, 1996
Das Geständnis, 1996
Die Schuld der Liebe, 1997
Place Vendôme, 1998
Kommissar Rex – Priester in Gefahr, 1999
Hirnschal gegen Hitler, 2000
Späte Liebe, 2001
Zwölfeläuten – Regie: Harald Sicheritz, 2001
Nobel, 2001
Jedermanns Fest – Regie: Fritz Lehner, 2002
Gebürtig – Regie: Lukas Stepanik und Robert Schindel, 2002
Epsteins Nacht – Regie: Urs Egger, 2002
Supertex – Eine Stunde im Paradies, 2002
Schimanski – Das Geheimnis des Golem, 2004
Kommissar Rex – Sein letzter Sonntag, 2004
Wenn der Vater mit dem Sohne, 2005
Familie zu verkaufen, 2005
Schlosshotel Orth – Das Erbe, 2006
Kronprinz Rudolfs letzte Liebe, 2006
Trautmann – Bumerang, 2006
Love Comes Lately, 2007
Der Nikolaus im Haus, 2008
Das Vaterspiel – Regie: Michael Glawogger, 2009
Berlin 36 – Regie: Kaspar Heidelbach, 2009
SOKO Donau – Die grauen Männer, 2009
Bloch – Verfolgt, 2010
Glücksbringer, 2011
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Am 10. Oktober 2011 starb Otto Tausig nach langer Krankheit im Kreise seiner Familie in Wien.
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2013 wurde in Wien Wieden (4. Bezirk) der Tausigplatz nach ihm und seiner Mutter Franziska Tausig benannt.
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