Dr.
Richter, Diplomat, Außenminister, Bundespräsident
* 20.03.1915 in Niederkappel, Oberösterreich
† 30.03.2000 in Wien
Rudolf Kirchschläger wurde am 20. März 1915 in Niederkappel, Oberösterreich, geboren. Sein Vater Johann arbeitete damals als Waagmeister in der Papierfabrik Obermühl, wechselte aber 1917 nach Steyrermühl. Seine Mutter Anna starb 1918 an den Folgen von Unterernährung, als Rudolf dreieinhalb Jahre alt war. Johann Kirchschläger demonstrierte gemeinsam mit rund 1000 Arbeitern aus Laakirchen und Steyrermühl im Februar 1919 in Gmunden gegen den Hunger. Als Redner forderte er, dass die Sommergäste aus Gmunden abziehen sollten und der Bezirkshauptmann abgesetzt werden müsse, damit die Versorgung mit Lebensmitteln besser werde.
Im Alter von nur 11 Jahren wurde Rudolf Kirchschläger Vollwaise. Sein Vater, der zuletzt auch als Organist gearbeitet hatte, starb im Alter von 61 Jahren im Jahre 1926.
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Rudolf Kirchschläger besuchte von 1927 bis 1939 die Volksschule Promenade, dann die Knabenhauptschule Promenade in Steyr. Anschließend absolvierte er das Bundesaufbaugymnasium Horn und bestand die Matura mit Auszeichnung. Danach studierte er Jus an der Universität Wien. Er schloss unter gehörigen Schwierigkeiten das Studium mit der Promotion zum Dr. iur. Ende 1940 ab. Er hatte sich das Studium nur mit Hilfe eines Stipendiums und diverser Nebenjobs finanzieren können. Eine Mitgliedschaft in der NSDAP hatte er nach der Machtübernahme der Nazis abgelehnt. Er war Mitglied der Vaterländischen Front. Somit musste er als Nicht-NSDAP-Mitglied das Studium nach dem Anschluss Österreichs an Deutschland abbrechen. Er arbeitete dann als Bankangestellter. Ihm wurde Ende 1939 ein zweimonatiger Fronturlaub gewährt, um sich auf das Assessorexamen vorzubereiten. Gemäß der österreichischen Studienordnung war ein Examen nur noch bis zum Ende desselben Jahres möglich. Es galt also, sich zu beeilen. Nach eigenen Aussagen schlief Rudolf Kirchschläger in dieser Zeit nur zwei Stunden täglich, ernährte sich ausschließlich von leichter Kost und tauchte seine Füße in Essigwasser, um wach zu bleiben. Der Erfolg blieb nicht aus: In einem der Rigorosa erhielt er sogar eine Auszeichnung.
Im Jahre 1940 heiratete er seine Frau Herma. Der Ehe entstammen zwei Kinder, Tochter Christa wurde 1944, Sohn Walter 1947 geboren.
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Nach dem zweiten Weltkrieg arbeitete er von 1947 bis 1954 als Richter in Langenlois und Wien. Im Jahre 1954 trat er als Rechtsexperte in die Völkerrechtsabteilung des Außenministeriums ein. Er war in dieser Funktion am Zustandekommen des Staatsvertrags und des Neutralitatsgesetzes beteiligt.
Unter den Aussenministern Bruno Kreisky und Lujo Toncic-Sorinj war Rudolf Kirchschläger von 1962 bis 1968 stellvertretender Generalsekretär im Aussenministerium.
Die Regierung Josef Klaus entsandte ihn 1967 als Gesandten nach Prag, wo er sich während des "Prager Frühlings" (1968) und des militärischen Eingreifens der Truppen des "Warschauer Pakts" der vielen in die österreichische Botschaft Geflüchteten annahm.
1970 holte ihn Bruno Kreisky in seine Minderheitsregierung als Außenminister; er blieb es bis 1974.
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Bruno Kreisky war es auch, der ihn 1974 als parteilosen Kandidaten der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) und Nachfolger für den verstorbenen Franz Jonas für die Bundespräsidentenwahl aufstellte.
Rudolf Kirchschläger setzte sich in der Wahl gegen den von der ÖVP unterstützten Innsbrucker Bürgermeister Alois Lugger mit 51,7 % der Stimmen durch.
Er genoss aufgrund seines bescheidenen Auftretens und seiner Volksnähe enorme Popularität. Somit wurde seine Wiederwahl 1980 zu einem Triumph. Er siegte mit dem Rekordergebnis von 79,9 % der abgegebenen Stimmen haushoch gegen den von der FPÖ unterstützten Diplomaten Willfried Gredler sowie den Rechtsextremisten Norbert Burger.
Zum geflügelten Wort wurde sein Ausspruch über das „Trockenlegen der Sümpfe und sauren Wiesen“ (bei der Eröffnung der Welser Messe im August 1980 anlässlich des aktuellen AKH-Skandals geäußert).
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Rudolf Kirchschläger betätigte sich auch als Buchautor und veröffentlichte "Der Friede beginnt im eigenen Haus" (1980) und "Immer den Menschen zugewandt" (Herausgeber J. Pühringer, 2000).
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In den letzten Jahren seines Lebens war Rudolf Kirchschläger gesundheitlich angeschlagen. Er laborierte an einer schweren Augenkrankheit, die ihn das Lesen nur mehr mit einer Lupe ermöglichte. Doch er nahm ungebrochen Anteil am politischen Geschehen. Er stellte sich für wichtige Anliegen zur Verfügung, so auch für den Verein Shalom, der die Sanierung jüdischer Friedhöfe zum Ziel hatte.
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Großkreuz des Verdienstordens der Italienischen Republik (1971)
Groß-Stern des Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich (1974)
Ritter des Nassauischen Hausordens vom Goldenen Löwen am 14. Juli 1975
Collane des Finnischen Ordens der Weißen Rose (1977)
Collane des Ordens de Isabel la Católica (1978)
Elefanten-Orden (1979)
Collane des Ordens des Infanten Dom Henrique (1984)
Großkreuz des Päpstlichen Piusordens (1990)
Tomáš-Garrigue-Masaryk-Orden 1. Klasse (1996)
Großer Montfortorden
Collane des Päpstlichen Piusordens (2000)
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Rudolf Kirchschläger starb am 30. März 2000 in Wien. Er wurde in der Präsidentengruft am Wiener Zentralfriedhof bestattet.
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Im Jahr 2008 wurde in Wien-Neuwaldegg nach ihm der Rudolf-Kirchschläger-Platz benannt.
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An seiner Sommerfrische-Villa in Rosenburg am Kamp erinnert eine Gedenktafel an den Ehrenbürger der Gemeinde Rosenburg-Mold.
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Rudolf Kirchschlägers Sohn, Dr. Walter Kirchschläger, veröffentlichte im März 2015 bei styria premium ein Buch, das Reden von Rudolf Kirchschläger enthält. In zahlreichen Reden hat er seine Überzeugung von der Möglichkeit eines friedlichen Miteinanders der Staaten und der Menschen in Österreich in gegenseitiger Achtung, Toleranz und Wertschätzung vermittelt. Aus den ca. 1700 vorliegenden Redemanuskripten hat sein Sohn eine Auswahl nach thematischen Schwerpunkten zusammengestellt.
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Der Publizist Paul Lendvai war voll des Lobes über den ehemaligen Außenminister und Bundespräsidenten, der von 1974 bis 1986 zwei Perioden an der Spitze des Staates stand.
“Er war der bescheidenste Politiker, den ich je kennengelernt habe. Rudolf Kirchschläger war ein Brückenbauer, der immer das Einende über das Trennende gstellt hat."
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